Resolution des Deutschen Kulturrates zur Debatte um Honorarkräfte in der Bildungsarbeit
Mit dieser Resolution (LINK zur Resolution) positioniert sich der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, erneut zur Debatte um Honorarkräfte in der Bildungsarbeit. Er geht dabei ausschließlich auf sozialversicherungsrechtliche Fragen ein und spart arbeitsrechtliche Aspekte aus. Zu steuerrechtlichen Themen, die Honorarkräfte in der kulturellen Bildung und auch Bildungsanbieter betreffen, hat sich der Deutsche Kulturrat in einer eigenen Stellungnahme positioniert (LINK zur Stellungnahme).
Die kulturelle Bildung sowie die Fort- und Weiterbildung im Kulturbereich sind durch Anbietervielfalt gekennzeichnet. Das Spektrum reicht von öffentlichen Bildungsanbietern über öffentlich geförderte, gemeinnützige Akteure bis hin zu privatwirtschaftlichen Unternehmen. Viele Anbieter sind auf kulturelle Bildung bzw. Fort- und Weiterbildung spezialisiert, für andere ist es ein Tätigkeits- bzw. Geschäftsfeld neben anderen. Viele Künstlerinnen und Künstler haben in der kulturellen Bildung ein zweites berufliches Standbein aufgebaut. Über die Künstlersozialversicherung versicherte Künstlerinnen und Künstler unterliegen der gesetzlichen Kranken-, der Pflege- und der Rentenversicherungspflicht.
Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass die hohe Qualität der Bildungsangebote im Kulturbereich auch durch spezialisierte Fachkräfte geprägt ist, die auf Honorarbasis unterrichten. Diese Lehrkräfte sind teils nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz pflichtversichert, teils liegt bei selbstständigen Lehrkräften die Rentenversicherungspflicht nach § 2 SGB VI vor und teils sind es abhängig Beschäftigte, oft auch in nebenberuflicher Tätigkeit. Auftraggeber und Auftragnehmer können zur beiderseitigen Rechtssicherheit bei der zuständigen Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren anstoßen. Eine zeitnahe Entscheidung ist hier essenziell.
Der Deutsche Kulturrat stellt fest, dass in den letzten Jahrzehnten die kulturelle Bildung sowie die Fort- und Weiterbildung im Kultursektor ausgebaut wurden. Dies trifft sowohl für die öffentlichen Bildungsträger, für gemeinnützige Bildungsanbieter als auch auf privatwirtschaftliche Unternehmen zu. Allerdings blieb die Finanzierung der öffentlichen Bildungsträger und die öffentliche Förderung der gemeinnützigen Freien Träger oftmals unzureichend. Die Sicherung und der Ausbau der Bildungsangebote war den Bildungsträgern in zahlreichen Fällen nur durch die Beauftragung von Honorarkräften möglich.
Der Deutsche Kulturrat begrüßt die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierten Gespräche zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit in der Bildungsarbeit. Daran sind Verbände der Auftraggeber bzw. Arbeitgeber und Auftragnehmer bzw. Beschäftigten sowie Gewerkschaften beteiligt. Sie bieten die Möglichkeit, auf der Grundlage bestehender Kriterien der Deutschen Rentenversicherung auf die Bereiche bezogene Spezifika und praxistaugliche Konzepte für selbstständige Tätigkeit gemeinsam herauszuarbeiten, damit Honorarkräfte verlässlich und rechtssicher beauftragt werden können.
Nach dem sogenannten Herrenberg-Urteil aus dem Jahr 2022 haben sich die Sozialversicherungsträger (GKV-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit) in einem Gemeinsamen Besprechungsergebnis vom 04.05.2023 auf die „Versicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrern und Dozenten“ verständigt. Das Besprechungsergebnis ist seit dem 01.07.2023 Grundlage für Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung. Dies führt aktuell zu einer großen Verunsicherung in der kulturellen Bildung sowie der Weiterbildung.
Aktuell besteht die Gefahr, dass Angebote kultureller Bildung drastisch zurückgefahren werden, da Rechtsunsicherheit besteht. Auch drohen sowohl öffentlichen als auch privaten Einrichtungen der kulturellen Bildung ggfs. hohe Nachzahlungen, die existenzbedrohend sein können. Bereits jetzt schränken privatwirtschaftliche Anbieter ihr Angebot ein.
Der Deutsche Kulturrat fordert daher den Gesetzgeber auf, über das zeitlich begrenzte Aussetzen der Betriebsprüfungen resp. Bescheidungen hinaus in einem geordneten Übergangsprozess bis Ende 2026 auf Nachzahlungen von kulturellen Bildungsanbietern und Fort- und Weiterbildungseinrichtungen zu verzichten. Maßgabe sollte dabei sein, dass die Bildungsanbieter zeitnah, bspw. ab dem ersten Quartal 2025, Veränderungsprozesse anstoßen. Voraussetzung für den Verzicht auf Nachzahlungen muss sein, dass die Bildungsanbieter nach den bis zum Herrenberg-Urteil bekannten Vorgaben der Rechtsprechung agiert haben. Dies bezieht Bildungsanbieter ein, die ihrerseits ein Statusfeststellungverfahren initiiert hatten, in deren Rahmen die Selbstständigkeit der Honorartätigkeit festgestellt wurde.
Der Deutsche Kulturrat sieht, dass zur Aufrechterhaltung des Status quo die öffentliche Hand Zeit benötigt, um in den Haushalten zusätzliche Mittel für kulturelle Bildung einzustellen und entsprechend durch die Parlamente zu verabschieden. Angesichts vielfach bestehender Doppelhaushalte ist ein Zeitraum von mindestens zwei Jahren bis Ende 2026 anzusetzen. Auch freie gemeinnützige und privatwirtschaftliche Bildungsträger brauchen entsprechend Zeit, um ggfs. ihre Struktur und ihre Finanzierung umzustellen.
Die genannten Punkte betreffen insbesondere die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beauftragung von Honorarkräften in der Vergangenheit. Angesichts der unterschiedlichen Anforderungen in der Bildungsarbeit ist es aber unverzichtbar, auch in Zukunft mit Honorarkräften zusammenzuarbeiten.
Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass die Anbieter kultureller Bildung bzw. von Fort- und Weiterbildung im Kulturbereich und die Honorarkräfte Rechtssicherheit benötigen. Es bedarf eindeutig definierter und verbindlicher Kriterien sowie einheitlicher Prüfmaßstäbe.
Der Deutsche Kulturrat regt an, bei den oben erwähnten Gesprächen Vereinbarungen, die für andere Berufsgruppen getroffen wurden, fruchtbar zu machen. Zu nennen sind beispielsweise die auf Bundesebene getroffenen Vereinbarungen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Ärzten im vertragsärztlichen Notdienst (Poolärzte) sowie ferner §12a Tarifvertragsgesetz zu arbeitnehmerähnlichen Personen.
Der Deutsche Kulturrat fordert die Länder und den Bund auf, bei künftigen Programmen zur Stärkung der kulturellen Bildung ausreichend Mittel für Personal vorzusehen und sie finanziell so zu unterlegen, dass den sozialversicherungsrechtlichen Aspekten Rechnung getragen werden kann. Dies gilt namentlich für den anstehenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Primarstufe, der in vielen Fällen nur durch Einbeziehung von Freien Trägern, auch aus der kulturellen Bildung, qualitätvoll zu gewährleisten sein wird.
Quelle: Deutscher Kulturrat
Foto: Gitarrenunterricht © iStock.com / miodrag ignjatovic